RCS – das kann der SMS-Killer

Illustration von einem Notebook und einem Smartphone, die denselben Chatverlauf anzeigen

Was genau ist RCS? Beim sogenannten Rich Communication Services (RCS) handelt es sich um einen Standard für Mobile Messaging Services der Mobilfunkindustrie. Eine Technologie, die geschaffen wurde, um als «SMS/MMS-Killer» die Kommunikationswelt zu erobern und die herkömmlichen Textnachrichten abzulösen. Das nächste Kapitel ist aufgeschlagen… Seit fast zehn Jahren wird über eine Ablösung des über dreissigjährigen […]

Was genau ist RCS? Beim sogenannten Rich Communication Services (RCS) handelt es sich um einen Standard für Mobile Messaging Services der Mobilfunkindustrie. Eine Technologie, die geschaffen wurde, um als «SMS/MMS-Killer» die Kommunikationswelt zu erobern und die herkömmlichen Textnachrichten abzulösen. Das nächste Kapitel ist aufgeschlagen…

Seit fast zehn Jahren wird über eine Ablösung des über dreissigjährigen SMS-Standards diskutiert. Umgesetzt wurde praktisch nichts. Ändert sich dies nun? Ja, denn der Tech-Gigant Google hat in dieser Sache das Ruder übernommen. Der Suchmaschinenriese hat beschlossen, auf Ende Juni 2019, in England und Frankreich auf eigene Faust RCS einzuführen. Weitere Länder sollen bald folgen.

Erfahren Sie in unserem Blogeintrag, woher diese Technologie kommt, was sie alles kann, was sie nicht kann, wie die Situation in der Schweiz aussieht und wohin die Reise von RCS gehen könnte.

Wie ist RCS entstanden?

Bereits 2008 begann unter der Führung des finnischen Telekommunikationskonzerns Nokia die Entwicklung der anfänglichen Rich Communication Suite. Die GSM Association (GSMA) in ihrer Funktion als weltweite Industrievereinigung der GSM-Mobilfunkanbieter treibt seit diesem Zeitpunkt die Entwicklung voran. 2011 wurde das Produkt in Rich Communications Suite enhanced (RCS-e) umbenannt. Unter dem Namen „Joyn“ versuchte die GSMA diesen Standard für mobiles Messaging weltweit bekannt zu machen. Die Telko Anbieter interessierten sich für die Technologie und investierten darin. Ziel war es, die immer kleiner werdenden Einnahmen aus dem klassischen SMS-Markt zu kompensieren.

Den Telekom-Firmen, Handyproduzenten und Tech-Konzernen gelang es jedoch nicht, eine gemeinsame Strategie zu entwickeln, um die Märkte zu erobern. Dadurch dümpelte der RCS Standard für mehrere Jahre vor sich hin. Doch im Frühjahr 2018 erschien plötzlich Google auf dem Parkett. Der Gigant aus dem Alphabet Konzern kündigte an, die Weiterentwicklung seiner eigenen Messenger-Anwendungen unverzüglich zu stoppen und fortan nur noch auf RCS zu setzen.

Doch selbst diese spektakuläre Wendung brachte nicht die erhofften Impulse. Telkos, Smartphone-Produzenten und Tech-Unternehmen zogen immer noch nicht am selben Strick. Die Weiterentwicklung blieb deshalb erneut stecken.

Google nimmt das Ruder in die Hand

Ein paar Monate später – am 17. Juni 2019 – meldete sich Google via dem Technikportal und Mediennetzwerk The Verge erneut: Alles gehe viel zu langsam, man wolle nicht mehr warten. Von nun an werde Google im Alleingang fortfahren und noch im selben Monat für alle Benutzer des Betriebssystems Android in Frankreich und Grossbritannien RCS lancieren. Der Markteintritt in beiden Ländern erfolge ohne Unterstützung anderer Konzerne. Weitere Länder würden folgen. Konkrete Namen wurden noch nicht genannt. Zudem hat Samsung einer Kooperation mit Google zugestimmt und auch Microsoft soll an einer erweiterten Zusammenarbeit nicht uninteressiert sein.

Was bietet RCS?

Die universelle RCS-Technologie ermöglicht die Kommunikation mittels Video-Anrufen, Chats sowie keine Limitierung auf 160 Zeichen pro Nachricht. Zudem das Versenden von Stickern, GIFs, Videos, Dateien, Emojis und Sprachnachrichten. Zusätzlich stehen Funktionen wie Lesebestätigungen, Schreibindikator oder Gruppenchats zur Verfügung. Es muss dazu jedoch keine extra App heruntergeladen werden.

Einige Eckdaten zu RCS:

  • Keine Zeichenlimitierung von 160 Zeichen pro Nachricht
  • Versand und Empfang von Emoji’s, Stickern, GIFs, Videos, Sprachnachrichten und Dateien
  • Die von WhatsApp bekannten Versand- und Lesebestätigungen
  • Videochats
  • Gruppenchats
  • Interaktive Elemente (vgl. Visilab)

Wie sieht das Nutzerinterface aus?

Generell gibt es keine einheitliche Benutzeroberfläche von RCS, da unter Android, je nach Geräteanbieter, die Standard-Nachrichten-Anwendung anders gestaltet ist.

Die Standard-SMS-App Google Messages (vormals Android Messages) sieht mit den RCS-Funktionen wie folgt aus:

Ansicht Nutzerinterface von RCS
Emojis, Sticker, GIFs, Videos, Sprachnachrichten und Dateien: RCS unterstützt den Versand und Empfang aller gängigen Elemente, welche man auch schon von den Rivalen iOS und WhatsApp kennt. (Quelle: Google Messages)

Wie funktioniert RCS?

RCS ist keine Mobile App wie WhatsApp oder der Facebook Messenger. Es handelt sich wie beim klassischen SMS um einen Nachrichtenstandard. Damit ist RCS theoretisch auf jedem Handy nutzbar, das den Standard unterstützt, ohne dass man eine neue App installieren muss. Google bietet RCS künftig direkt in seinem SMS/MMS-Client Android Messages an. Dies geschieht unabhängig davon, ob der eigene Provider diesen Service auch unterstützt. Da Google RCS direkt in Android integriert, kann der Entwickler den neuen Chat-Dienst jederzeit freischalten. Sobald RCS verfügbar ist, fragt das Betriebssystem, ob man den neuen Chat-Dienst nutzen möchte. Tippt man auf „Ja“, versendet man künftig RCS statt SMS, sofern der Empfänger ebenfalls ein Handy hat, das RCS-fähig ist.

Die Anwendung läuft «kostenlos» über die Standard-Nachrichten-Funktion eines Smartphones. Der Name lautet schlicht «Chat». Anders als herkömmliche SMS werden RCS-basierte Nachrichten wie WhatsApp usw. über das Datenvolumen im Mobile Abo abgerechnet.

Da der neue Standard abwärtskompatibel ist, können Nachrichten auch an Nutzer gesendet werden, deren Geräte oder Netzbetreiber noch keinen RCS-Support bieten. In diesem Fall kommt aber als Fallback-Technologie wieder das gute alte SMS zum Einsatz. Nicht zu vergessen in diesem Zusammenhang ist daher die Problematik mit dem in der Schweiz und ausserhalb der EU kostenpflichtigen Roaming. Das kann gerade bei Datennutzung aber auch für den Versand von SMS und MMS, je nach Anbieter, horrend teuer werden. Immerhin ist im europäischen Raum das Roaming abgeschafft. Die Zusatzinhalte wie Sprachnachrichten, Video usw. lassen sich dann natürlich nicht übertragen.

Der Kern des Problems und was tut Apple?

Aber: Damit RCS flächendeckend und wirklich für alle funktioniert, müssten sämtliche Telkos und Geräteanbieter die Technologie flächendeckend aktiv unterstützen. Genau darin liegt der Kern des Problems. Auch wenn nun Google das Heft in die Hand nimmt und die Technologie direkt in seinem SMS/MMS-Client integriert und der Service dadurch unabhängig vom eigenen Provider funktioniert, hängt das Gesamtbild schief. In seinem Artikel in der NZZ am Sonntag vom 13. April 2019 verweist Autor Markus Städeli darauf, dass weltweit schon 76 Telekomfirmen RCS unterstützen und laut Swisscom sollen in den nächsten zwölf Monaten 59 weitere Unternehmen folgen. Doch was ist mit den restlichen Anbietern? Und was tut Apple? In der Schweiz hat iOS nach wie vor fast 50 % Marktanteil.

Das Apple-Logo auf einem Schild an einem Gebäude
Will iOS und seinen Business Chat ausbauen: Apple setzt aktuell noch nicht auf den RCS-Standard. (Quelle: Unsplash)

Dieter Bohn vom Fachmagazin The Verge spekuliert darauf, dass sogar Apple den Messenger auf Drängen von Google und den Netzbetreibern auf seine iPhones bringen könnte. Seinen Informationen zufolge würde Google sich zusammen mit verschiedenen Netzbetreibern in Gesprächen mit Apple befinden. Doch wie wir aus der Vergangenheit wissen, fährt das Unternehmen aus Cupertino nur allzu gerne auf einer eigenen Schiene. Somit sind Aussagen wie jene von Bohn mit Vorsicht zu geniessen. Andere Stimmen berichten, dass Apple eine «Workaround Lösung» anstrebe auf App-Basis. Doch genau solche Behelfslösungen dekonstruieren die Grundidee von RCS als weltweiten Standard.

Sicher ist, dass ein iPhone nicht so bald RCS Nachrichten verarbeiten wird. Auf den Geräten läuft seit Jahren das eigene Pendant: iMessage, welches übrigens vom Funktionsprinzip her praktisch identisch wie RCS konzipiert ist – mit einem entscheidenden Unterschied: Es weist eine Ende-zu-Ende Verschlüsselung auf. Mehr dazu im Abschnitt «Das Problem mit der fehlenden Ende-zu-Ende-Verschlüsselung».

Die Situation in der Schweiz

Was in der Schweiz geschieht, ist momentan komplett offen. Anscheinend möchte die Swisscom in Zukunft auf RCS setzen und die vereinbarte Zusammenarbeit mit Google fortführen. Laut NZZ am Sonntag vom 13.4.2019 werde gerade die Infrastruktur fertiggestellt und erste Tests mit Kunden durchgeführt. Die Swisscom und der Online-Brillenhändler Visilab testen gegenwärtig einen automatisierten Kundendienst, der auf RCS basiert. Potenzielle Brillenkäufer können einen QR-Code aus einem Katalog scannen, um anschliessend in einen Chat weitergeleitet zu werden. Dort führt ein spezialisierter Bot mit den Kunden ein «Verkaufsgespräch».

Firmenkunden im Fokus

Die Tests von Visilab zeigen, dass die Anwendung im Geschäftsbereich für Firmen ein monetär interessantes Einsatzgebiet sein könnten. Der weltweite Industrieverband der Mobilfunkanbieter schätzt, dass der Markt für solche Anwendungen bis zum Jahr 2021 ein Volumen von bis zu 75 Milliarden Franken einnehmen könnte.

In der konkreten geschäftlichen Anwendung bringt RCS von seiner Funktionalität her einen echten Mehrwert. Die Idee ist, einem Kunden mehr als eine Textnachricht zu senden, die ihm sagt, dass das Hotelzimmer gebucht wurde. Beispielsweise eine Nachricht mit der Adresse des Hotels, einem Bild des Zimmers oder einer Möglichkeit, mit der Sie direkt aus einer Nachricht einen Chat mit jemandem von der Rezeption starten können.

Branchenexperten wie Ralf Beyeler vom Online-Vergleichsdienst Moneyland äussern allerdings Zweifel, ob sich RCS gegen die Konkurrenz behaupten kann: «Ich sehe wesentliche Nachteile», sagt Beyeler. «Einer davon ist die Verfügbarkeit des neuen Dienstes». Wie unter anderem bereits im Abschnitt «Der Kern des Problems» erwähnt, können im iPhone Land Schweiz nur etwa 6 von 10 Personen via Android erreicht werden. In der Zwischenzeit ist die einfach umzusetzende Alternative einer Kundenkommunikation per SMS bestimmt keine schlechte Lösung.

Das Problem mit der fehlenden Ende-zu-Ende-Verschlüsselung

Der grösste Nachteil von RCS ist ganz klar das Fehlen einer Ende-zu-Ende-Verschlüsselung. Im offiziellen Standard ist eine solche nicht vorgesehen. Die Nachrichten werden zwar verschlüsselt übertragen, aber nur vom Gerät zum Anbieter. Dort könnten problemlos alle Nachrichten eingesehen werden. In vielen Internetforen und Tech-Blogs ziehen die Autoren deshalb gnadenlos über die fehlende Sicherheit her. Im Zeitalter von verschärften Datenschutz-Grundverordnungen eine äusserst heikle Thematik, die nicht unterschätzt werden darf.

Google hat bereits angekündigt, eine Lösung finden zu wollen. In Zukunft könnten also RCS-Nachrichten Ende-zu-Ende-verschlüsselt werden – zumindest solange beide Seiten Android Messages verwenden. Einen konkreten Zeitplan für die Verfügbarkeit eines solchen Features nennt Google derzeit nicht. Also auch hier ein Fragezeichen. Google hat als einer der weltweit grössten Datenkraken diesbezüglich noch ein hartes Stück (Überzeugungs-)Arbeit vor sich.

Fazit

Ein gemeinsamer und unabhängiger Standard als «SMS 2.0» ist eine wirklich gute Sache und absolut zu begrüssen. Ein Messenger mit erweiterter Funktionalität ist aber erst dann wirklich wertvoll, wenn aus Sicht der Benutzer alle möglichen Empfänger mit einer einzigen Anwendung erreichbar sind. Unabhängig davon, mit welchem Provider oder mit welchem Gerät jemand unterwegs ist. Doch hier handelt es sich noch um eine Vision. Die Realität hinkt hinterher.

Wie der Branchenverband der GSM-Provider die Weiterentwicklung und die Zukunft von RCS sieht, kann hier nachgelesen werden. Wie es wirklich mit der RCS Technologie weitergeht, hängt vom Tempo des Ausbaus ab.

Ein gemeinsamer und unabhängiger Standard als «SMS 2.0» ist eine wirklich gute Sache und absolut zu begrüssen.

Florian Frei – Marketingspezialist bei eCall

GSMA, Swisscom und auch andere Provider sehen in der RCS-Technologie zwar einen Milliardenmarkt, weil dem Gratis-Service interessante Zusatzleistungen wie beispielsweise Bezahllösungen mitgegeben werden können, mit denen Geld verdient werden könnte. Tatsache ist jedoch, dass sich auf diesem Milliardenmarkt bereits zahlreiche andere grosse Anbieter etabliert haben und ihn intensiv bewirtschaften. Dadurch besitzen sie momentan noch einen grossen Vorsprung, was Akzeptanz und Technologie anbelangen.

Eine Ende-zu-Ende-Verschlüsselung fehlt im Moment komplett. Für den Versand von sensiblen Daten eignet sich der Standard entsprechend noch nicht. Auch ist die Verfügbarkeit zu gering, um wirklich alle Kunden bequem erreichen zu können. Deswegen ist ein Business-Einsatz nur unter Vorbehalt zu empfehlen.

Die vielen Lücken, welche alle noch gefüllt werden müssen, drohen RCS auf ein weiteres Abstellgleis zu führen. Lassen wir uns überraschen, was sich Google alles einfallen lässt, um diese Hürden überwinden zu können und wie die Geschichte weitergeht.

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eCall Business Messaging Blog Autor Florian Frei

Florian

Florian ist Senior Marketing Manager und für die Bewerbung der Marke eCall zuständig. In diesem Blog schreibt er über Neuigkeiten und Wissenswertes rund ums Thema Business Messaging.

Titelbild: RCS-Nachrichten, bzw. Google Messages können mit der Funktion «Messages Web» auch direkt im Browser gelesen werden. Ein Dienst, welcher vor allem WhatsApp-Nutzern bekannt vorkommen wird (Bild: Google Messages).

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